Stäbler
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Gerhard Stäbler 

Gerhard Stäbler, 1949 geboren in Wilhelmsdorf bei Ravensburg in Süddeutschland, studierte Komposition bei Nicolaus A. Huber und Orgel bei Gerd Zacher in Detmold und Essen. Der "Cornelius Cardew Memorial Prize" (1982) war die erste in einer langen Reihe von Auszeichnungen, von Preisen, Kompositionsaufträgen und Stipendien in Amerika, Asien und Europa, die Gerhard Stäbler bislang erhielt. Von Anfang an war er nicht nur als Komponist aktiv, sondern er engagierte sich auch politisch und auf organisatorischem Gebiet, z. B. bei der Veranstaltung von "Aktive Musik"-Festivals mit Neuer Musik nicht nur im Ruhrgebiet, sondern u.a. auch in New York und in Portugal, sowie als künstlerischer Leiter der Weltmusiktage ‘95 der "Internationalen Gesellschaft für Neue Musik" und der LandMarks ‘99 im Ruhrgebiet. Eine dritte wichtige Tätigkeit liegt im pädagogischen Bereich: in Workshops und Seminaren für Komposition und Improvisation arbeitete Gerhard Stäbler bereits mit jungen Musikern aus vielen Ländern. Als Composer-in-Residence und Gastprofessor wirkte er zeitweise u.a. in Nord- und Südamerika und im Nahen und Fernen Osten. Stäblers Musik bricht oft aus dem konventionellen Rahmen heraus, indem er Elemente in seine Kompositionen mit einbezieht, die die herkömmliche Aufführungssituation (und damit die übliche Publikumserwartung) durchbrechen, sei es durch Gesten oder Bewegungen im Raum, durch Licht- und Duftgestaltung oder aktives Einbeziehen des Publikums; immer kommt es ihm darauf an, die Phantasie anzuregen, über Ohren und andere Sinne zu sensibilisieren für neue, unerwartete Möglichkeiten in Wahrnehmung und Denken. 

  Hella Melkert

‘playmanic’ für zwei Player Pianos1998/99
Ende November 1993 brach ich zu einer ungewöhnlichen Reise auf, die mich über Banff, dem extravaganten Kur- und Kulturzentrum in den Rocky Mountains der kanadischen Provinz Alberta unweit der Stadt Calgary gelegen, nach Mexiko zu den Weltmusiktagen und über Chicago wieder zurück nach Europa führte. Die Temperaturen des nord- bis mittelamerikanischen Kontinents spielten dabei „Börse“: Von 16 Grad plus sackten sie – eingeleitet von einem Schneesturm – innerhalb weniger Stunden auf minus 30 und erhitzten sich dann nach Ankunft in Mexico City auf knapp 30 Grad plus, um dann – am Ende der Tour in Deutschland - wieder auf nasskalte 0 Grad zu fallen. Nicht weniger kontrastierte das Kulturelle. In Calgary, wo notgedrungen (?) die Heizung von Trottoirs angeworfen wurde, war ich zu Gast bei der Bestsellerautorin Aritha van Herk: großes Haus, up-to-date-Kunst, fast food und – Ringen um ein „heißes“ Thema, vielleicht Verwicklungen um eine Kaisertochter in Prag? …oder sollte die Geschichte nicht doch gegenwärtiger sein? 

Abgesehen davon, dass ich hier wohl der falsche Gradmesser war, schienen die mexikanischen Vorbereitungen auf Weihnachten alles wegzuwischen, auch die Gespräche über neue Musik, neues Musiktheater in Banff oder die Proben an einer verwickelten Kammeroper des Kanadiers Christopher Butterfield. In für uns sommerlicher Hitze wurde im Zentrum von Mexico City überall Christbaumglitter ausgebracht, überdimensional groß, und bedenkenlos künstlich. Das Treiben in den Straßen der Stadt strafte all diese Bemühungen Lügen, obwohl sie zu diesem „Treiben“ gehörten wie der Smog, der endlose Verkehr mit den unzähligen dreisitzigen VW-Taxis, die lauten Mariatchis in Kneipen oder – doch auch – die fast zufällig in Museen und Innenhöfen von Klöstern verstreuten Konzerte der damals in Lateinamerika erstmalig veranstalteten Weltmusiktage der ‘Internationalen Gesellschaft für Neue Musik’. 

Einem, der diese „Umtriebigkeit“, das Hin- und Her von Möglichem und Unmöglichem, von „Organischem“ und „Mechanischem“, von menschlichen Fähigkeiten und Utopien auf besondere Weise zum Thema gemacht hatte, Conlon Nancarrow, galt ein Portraitkonzert während des Festivals. Seiner Musik galt meine Faszination, erst recht aber danach ihm, als ich ihn zu Hause besuchen konnte, ihm, der trotz evidenter Gebrechlichkeit ein Player Piano nach dem anderen anwarf, eine Rolle nach der anderen einlegte, um seine gestanzten „Kommentare“ zu einem Leben abzugreifen, das ihn ins Exil nach Mexiko trieb. playmanic ist eine Hommage an Nancarrow und Erinnerung an meine Begegnung mit ihm. Es gestaltet Räume des Klaviers, legt sie aus, wie Bach es in seinen Solowerken beispielsweise für Violine und Violoncello tat, „verschlingt“ sie und „durchfährt“ sie in bisweilen extrem schnellen, bisweilen extrem langsamen (und im Detail wieder ziseliert aufgefächerten) Bewegungen. 

Nach der 1997 vom Siemens Kulturprogramm München in Auftrag gegebenen Komposition „WOLKEN.BILDER“ für eine Jahrmarktorgel setzt playmanic die Auseinandersetzung mit „Mechanischem“ fort, die sich bereits Mitte der 80er Jahre in der multimedialen Komposition „Die Spieldose“ manifestierte, Michail Saltykow-Stschedrins Figur des Stadthauptmanns von Dummshausen, der anstelle des Gehirns eine Spieldose im Kopfe trug, reflektierend. 
playmanic für zwei Player Pianos bzw. einen oder mehrere Flügel mit einem Player Piano entstand 1998/99 auf Anregung von Jürgen Hocker, dem für seine kompetente Unterstützung und Umsetzung der Partitur herzlicher Dank gebührt.

Gerhard Stäbler