Michael Denhoff
(www.denhoff.de)
Michael Denhoff wurde 1955
in Ahaus/Westfalen geboren. Er studierte bei Siegfried Palm und Erling
Blöndal-Bengtsson Violoncello, bei Jürg Baur und Hans Werner
Henze Komposition, sowie mit dem Denhoff-Klaviertrio beim Amadeus-Quartett
Kammermusik.
Von 1976 bis 1980 war er
Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. 1984-85 Lehrauftrag
für Tonsatz an der Universität Mainz. Heute lebt er als freischaffender
Komponist und Cellist in Bonn. Dort war er von 1985-1992 Leiter des Akademischen
Orchesters Bonn und ist seit 1992 Mitglied im Ludwig-Quartett Bonn. 1986-87
ermöglichte ihm das Villa-Massimo-Stipendium einen 1-jährigen
Studienaufenthalt in Rom. 1996 Arbeitsstipendium „Villa La Collina” in
Cadenabbia. 1997/99 Gastprofessur am Nationalen Konservatorium in Hanoi
(Vietnam).
Für sein kompositorisches
Schaffen erhielt er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, u.a.: 1. Preise
bei den Kompositionswettbewerben Hitzacker und Bergisch Gladbach, Förderpreise
der Städte Stuttgart und Dortmund, des Landes Nordrhein-Westfalen
und des Landes Niedersachsen, Bernd-Alois-Zimmermann-Preis und zuletzt
den Annette von Droste Hülshoff Preis.
Denhoffs umfangreiches Oeuvre
umfasst gleichermaßen Klavier- und Kammermusik wie auch Werke für
Orchester sowie eine Kammeroper. Zahlreiche CDs dokumentieren dieses Schaffen.
Im diesem Jahr ist Michael
Denhoff Veranstalter der von ihm mit der Pianistin Susanne Kessel konzipierten,
50 Werkstattkonzerte umfassenden Reihe „Jahr-100-Klavier-Stücke”,
die in Bonn stattfindet und einen chronologischen Rückblick über
die Klaviermusik des 20. Jahrhunderts bietet.
Inventionen
I - III op. 88 (1999/2000) für Player Piano
Wie vielen meiner Komponisten-Kollegen
ist es auch mir ergangen: als ich erstmals die Studies für Player-Piano
von Conlon Nancarrow hörte, war ich überwältigt von den
schier unglaublichen Klängen und Strukturen dieser Musik.
Schon damals hatte ich den
Gedanken, die faszinierenden Möglichkeiten des selbstspielenden Klaviers
einmal selber kompositorisch zu nutzen; abgehalten hat mich aber immer
wieder das Gefühl, dass es fast unmöglich zu sein scheint,
für dieses Instrument nach Nancarrow noch Neues zu finden, da das
Universum seiner Studies nahezu alle Möglichkeiten ausgelotet hat.
Die ganz konkrete Bitte
von Jürgen Hocker, für die Konzerte der Kölner Triennale
ein neues Stück für sein Player-Piano zu schreiben, hat mich
erneut darüber nachdenken lassen. Eine Möglichkeit sah ich darin,
mich vornehmlich auf harmonische Aspekte der Musik zu konzentrieren, die
bei Nancarrows Musik eine eher zweitrangige Rolle spielen, da er im Wesentlichen
an den Möglichkeiten rhythmischer und kontrapunktischer Komplexitäten
interessiert war.
So greifen meine Inventionen
zwar auch an Bach anknüpfende und sie erweiternde kontrapunktische
Techniken auf, aber im Zentrum meines Interesses steht (wie übrigens
auch sonst in meiner Musik) das harmonische Denken. So trägt jedes
der drei Stücke sein eigenes unverwechselbares harmonisches Gesicht:
Nr. I ist eine Invention
über eine bitonale Pentatonik, also eine in sich geteilte 10-Ton-Harmonik,
bei der die beiden 5-Ton-Felder in ihren vier möglichen Grundgestalten
zunächst nur die schwarzen Tasten (unten) und die weißen Tasten
(oben) nutzen; dabei ist das 5-Ton-Feld der weißen Tasten in seinen
Binnenintervallen je um eine kleine Sekunde gegenüber dem 5-Ton-Feld
der schwarzen Tasten verengt. Diese Invention ist zweistimmig: Akkordisches
über einem ostinaten Bass, dessen Tonfolge die vier Grundgestalten
der 10-Ton-Harmonik in die Horizontale aufblättert.
Nr. II ist eine Invention
über eine sich sequenzierende, aufsteigende 4-Ton-Folge. Von den Intervallabständen
dieser 4-Ton-Folge (große Terz, große Sekunde, kleine Terz,
kleine Sekunde) ist die rhythmische Gestalt abgeleitet, die alle denkbaren
Permutationen der Dauern 4-2-3-1 nutzt. Diese Invention ist vierstimmig
und wird bestimmt von kanonischen Gestalten, die sich im metrischen Verhältnis
von 4 : 5 : 6 : 7 überlagern.
Nr. III ist eine Invention
für zwei Player Pianos über eine Pan-Tonalität: alle zwölf
Dur- und Moll-Dreiklänge erscheinen in den zwölf verschiedenen
6-Ton-Modi der einzelnen Stimmen. Diese Invention ist sechsstimmig und
beginnt zunächst als Spiegelkanon. Die erste Stimme, im tiefsten Bass
einsetzend, ist einstimmig und ihr 6-töniger Modus besteht aus den
Dreiklangstönen von C-Dur und Fis-Dur, die zweite Stimme ist zweistimmig
und ihr Modus besteht aus den Dreiklangstönen h-moll und f-moll, die
dritte Stimme ist dreistimmig und ihr Modus besteht aus D-Dur und As-Dur,
usw.. Nach etwa zwei Dritteln der Gesamtdauer dieser Invention kippen die
sechs Stimmen plötzlich in ihren komplementären 6-Ton Modus:
die erste Stimme also in den Modus aus d-moll und gis-moll, usw.
Der anfängliche Spiegelkanon
staucht jede neu einsetzende Stimme unmerklich, indem jede längere
Note oder Pause jeweils um einen 16tel-Wert verkürzt wird. Ab dem
Scheitelpunkt dieser Invention dreht sich auch hierin das Verhältnis
der Stimmen untereinander um.
Michael Denhoff
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