Kiyoshi Furukawa 

Furukawa, der 1959 in Japan geboren wurde, studierte Komposition von 1974 - 1979 in Tokio bei Yoshiro Irino, von 1979 - 1984 an der Musikhochschule in Berlin bei Isang Yun und von 1984 - 1988 an der Musikhochschule Hamburg bei György Ligeti. 1991 war er Gast-Komponist der Stanford University in den USA. Anschließend mehrere Aufenthalte am Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM), wo er auch von 1995 bis 1999 ‘Artist in Residence’ war. 1991 gründete er das Music Media Lab in Hamburg. Seit 2000 ist Furukawa Associate Professor an der National Universität für Kunst und Musik in Tokio. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, Preise und Stipendien, u.a. den ‘Ensemblia’-Preis der Stadt Mönchengladbach (1983), den PRISMA-Preis, Hamburg (1990), ein Siemens Projekt-Stipendium (1992/93) sowie den Musikpreis des Norddeutschen Rundfunks (1994).
Furukawas umfangreiches Schaffen umfasst multi-mediale und audio-visuelle Arbeiten, Musik für experimentelle Filme, Computermusik (elektroakustische und live-elektronische Musik), aber auch mehrere Kompositionen für konventionelle Besetzung wie z.B. Streichquartette, Klavier- und Orgelmusik sowie Orchestermusik. 

12 Formen
Teil 1: No. 1-6 
Teil 2: No. 7-12

Das Fernglas des Konzeptes
Mein kompositorisches Denken wurde entscheidend durch den Computer geprägt. Würde man allerdings den Computer nur dazu verwenden, um z.B. den Klang einer Geige nachzubilden, dann hätte ich mich bestimmt nicht für den Computer interessiert. 
Bei Nancarrows Schaffen scheinen mir zwei Aspekte besonders wichtig: Erstens: Die Verwendung des Player Pianos als Medium.
Zweitens: Das Komponieren nach bestimmten Ideen und Konzepten.
Das Instrument und die Konzepte sind untrennbar miteinander verbunden: Ja, es ergibt keinen Sinn, ohne Player Piano solche Ideen zu entwickeln. 
Auch die Komposition "12 Formen" ist mit diesen zwei Aspekten eng verbunden. Ich setze den Computer hier quasi als "Fernglas des Konzeptes" ein. Man versucht, mit diesem Fernglas eine bestimmte Struktur zu sehen bzw. zu hören, die sehr weit entfernt ist und die sich hinter einer schlichten Idee als "mögliche oder denkbare" Struktur verbirgt. Es gibt musikalische Strukturen, aber auch Strukturen, die mit Musik nichts zu tun haben. Mathematische Algorithmen haben sicherlich nichts mit Musik zu tun, weil letztere ein kulturelles Phänomen ist. Aber Algorithmen liefern eine bestimmte Ordnung, der man folgen kann und die einen bestimmten Ausdruck ergibt. Ich suchte in den ’12 Formen’ eine besondere Art von Verbindung zwischen Struktur und Ausdruck, die erst durch unser aktives Hören entsteht.

Kiyoshi Furukawa


Anmerkung von J.H.:
Letztendlich ging die Beschäftigung Furukawas mit dem Player Piano auf eine Anregung von György Ligeti zurück. Er schrieb mir 1988 nach einem Player Piano-Konzert in Hamburg aus Anlass seines fünfundsechzigsten Geburtstages: 

Vielen Dank für das Angebot an meine Studenten [für Player Piano zu komponieren]. Ich habe es weitergegeben, und ich glaube, dass einer meiner Studenten sich bei Ihnen melden wird - Herr Kiyoshi Furukawa.

Die ersten sechs Stücke von je etwa einer Minute Dauer schrieb Furukawa bereits 1995 und sie trugen die Bezeichnungen Symmetrie, Open & Close, Eschers Treppenhaus, Sinewave, Für Klee und Rock. Er schrieb damals: 
Nach unzähligen Experimenten und musikalischen Produktionen mit Nicht-Linear-Strukturen (Fraktalen, Chaos, Attraktoren) bin ich auf eine ziemlich einfache Tatsache gestoßen: Nämlich, dass diese Strukturen nur deshalb nichts mit Musik zu tun haben, weil die Musik so eng mit unseren Hörgewohnheiten, d.h. der Musiktradition verbunden ist. Solche mathematischen Formeln und Prozesse können natürlich nicht diese kulturellen und traditionellen Anteile enthalten. Aber der Kern dieser mathematischen Prozesse ist eine Art Feedback-System, und die zugrunde liegende Denkweise oder das Prinzip ist der Musik und uns Komponisten nicht fremd. [...] Jedes Stück ist mit einer musikalischen Idee verbunden. Ich wollte hier keine große Form aufbauen. Wenn sich eine musikalische Idee ausreichend entfaltet hat, endet das Stück. Die meisten Stücke dauern deshalb weniger als zwei Minuten. 
Die zweiten sechs Stücke entstanden 1999. Furukawa änderte daraufhin die Reihenfolge und verzichtete auf die Titel.